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ANW-Leitpapier "Urbane Forstwirtschaft"

Naturgemäße Waldwirtschaft im urbanen Umfeld

Bisherige Grundsätze und Leitbilder

Die Grundsätze der naturgemäßen Waldwirtschaft zielen auf einen stabilen, gemischten Wald mit Bäumen unterschiedlichen Alters ab, der nachhaltig wertvolles Holz liefert. Im Gegensatz zur klassischen Forstwirtschaft wird auf Kahlschläge grundsätzlich verzichtet. Ein hinreichender Anteil von Alt- und Totholz bietet eine gute Grundlage für die Entwicklung einer vielfältigen waldtypischen Lebensgemeinschaft. Durch eine regelmäßige Entnahme von Bäumen wird immer wieder Licht auf den Waldboden gebracht und dadurch für die natürliche Verjüngung gesorgt. Seltene Baumarten werden gefördert.

Ansprüche an urbane Wälder

In urbanen Wäldern wird die Waldbewirtschaftung von Teilen der städtischen Bevölkerung oft grundsätzlich in Frage gestellt. Der Wald wird ausschließlich als Erholungs-, Freizeit- und „unberührter“ Naturraum betrachtet und entwickelt sich zum „Psychotop“. Der dann scheinbar naheliegende Verzicht auf eine nachhaltige Bewirtschaftung im urbanen Wald ist allerdings keine Lösung. Im Folgenden möchten wir dagegen zeigen, wie die naturgemäße Waldwirtschaft den besonderen Funktionen des urbanen Walds gerecht werden kann.
Die Grundsätze der ANW bieten auch im urbanen Wald eine geeignete waldbauliche Handlungsgrundlage, wenn dabei die folgenden Ziele mit verfolgt werden:

1. Dauerhafte Stabilität schaffen
Nicht bewirtschaftete Wälder weisen mit der Zeit zunehmend dichte, vorrats- und totholzreiche Entwicklungsstadien auf. Diese werden dann sowohl den Anforderungen einer intensiven Erholungsnutzung wegen mangelnder Sicherheit und fehlender Stabilität gegen Sturmereignisse nicht mehr gerecht. Zudem verschwinden weniger konkurrenzstarke Mischbaumarten aus dem Waldbild. Stabilität wird nur durch die dauerhafte naturgemäße Waldpflege in Form von regelmäßig wiederkehrenden, selektiven Durchforstungen erreicht. Dafür bieten die Waldbaugrundsätze der ANW eine ideale Grundlage.

2. Mächtige Einzelbäume und bizarre Baumformen erhalten
Der Besucher erwartet vom urbanen Wald einen gestalteten Erholungsraum mit vielfältigen optischen Reizen. Der Stadtpark dient oft als Leitbild. Mächtige Einzelbäume und bizarre Baumformen sowie das Belassen von einzelnen Windwürfen und Hochstümpfen kommen diesen Vorstellungen nahe. Im Zuge der naturgemäßen Pflege werden mächtige Einzelbäume und bizarre Baumformen, die von Wegen aus sicherer Entfernung gut wahrgenommen werden können, gefördert und bis zum natürlichen Zerfall erhalten. Auf eine Nutzung wird verzichtet.

3. Emotionale Waldbilder schaffen
Von Waldlichtungen geht ein besonderer Reiz aus, der die Psyche vieler Waldbesucher positv beeinflusst. Dies wird besonders deutlich an dem Slogan: „Am schönsten im Wald ist die Lichtung!“ Durch das Schaffen, Offenhalten und die Pflege von kleinflächigen Lichtungen und Waldwiesen im Zuge der naturgemäßen Waldwirtschaft werden emotional beeindruckende Waldbilder geschaffen.
Naturgemäß bewirtschaftete Wälder entwickeln sich zu strukturreichen Wäldern, die oft wenig Blicktiefe bieten. Punktuell können durch kleinflächigen Erhalt des Kronenschlusses auch Hallenbestände geformt werden, um einen „Hallenwald“ für die städtische Bevölkerung erlebbar zu machen
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4. Wegenetz und Wegestandard sichern
Urbane Wälder weisen ein dichtes Wegenetz mit einem hohen Wegestandard auf. Gleichzeitig werden diese Wege im Zuge der Waldpflegearbeiten genutzt, auch wenn Wegedichte und –standard die Erfordernisse einer naturgemäßen Waldwirtschaft übersteigen. Nach dem Abschluss von Forstarbeiten muss dafür gesorgt werden, dass die in Mitleidenschaft gezogenen Wege so schnell wie möglich wieder instand gesetzt werden. Sperrungen von Wegen sollten nur kurzfristig und möglichst mit Umleitung erfolgen.

5. Rückegassen zurückhaltend und fachgerecht anlegen
Voraussetzung für eine naturgemäße Pflege von Waldbeständen ist einerseits ein dauerhaftes Erschließungssystem durch Rückegassen in einem Mindestabstand von ca. 40 m. Andererseits können diese ja nach Lage und Ausprägung des Waldbestandes zu einer Beeinträchtigung des Waldbildes führen, weil künstlich wirkende linienhafte Strukturen in Waldbeständen geschaffen werden. Daher wird angestrebt, in urbanen Wäldern die Befahrung mit Forstmaschinen auf die vorhandenen Wege zu beschränken und dabei – wenn arbeitstechnisch möglich - weitere Beiseilentfernung in Kauf zu nehmen. Erforderliche Rückegassen werden so angelegt, dass diese im Bereich der Wegeeinmündung möglichst leicht abknicken und damit weniger als Linie wahrgenommen werden.

6. Holzernteverfahren an urbane Wälder anpassen
Die Stadtbevölkerung steht dem Einsatz hochmechanisierter Holzernteverfahren häufig kritisch gegenüber, weil deren Einsatz deutliche Spuren im Waldgefüge hinterlassen. Dabei wird oft übersehen, dass damit die Beeinträchtigung durch Holzernte zeitlich sehr abgekürzt werden können. Generell sind alle Maßnahmen vor dem Hintergrund Dauer, Kosten und Anspruchshaltung der Waldbesucher zu optimieren. Motormanuellen Holzernteverfahren – möglichst in Verbindung mit dem Sympathieträger Rückepferd – können hochmechanisierten Holzernteverfahren insbesondere dort vorgezogen werden, wo dies zur Erhöhung der Akzeptanz notwendig scheint.
Im Zuge der Holzernte beschädigte Bäume sollten umgehend entnommen werden.
Die Wahrnehmung der forstlichen Eingriffe hängt sehr stark von der Eingriffsstärke ab. Daher kommt dem ANW-Grundsatz regelmäßiger, aber mäßiger Eingriffe in urbanen Wäldern besondere Bedeutung zu.

7. Markierungen sparsam und angemessen vornehmen
Betriebliche Infrastrukturzeichen wie Rückegassen-, Z-Baum-, Biotopbaum- und sonstige Markierungen mit der Sprühdose erfolgen möglichst dezent. Der natürliche Eindruck des Waldbildes soll nicht gestört werden.

8. Transparenz durch Kommunikation fördern
Urbane Wälder sind durch ein hohes Maß an Multifunktionalität geprägt. Die z.T. sehr gegensätzliche Nutzung als Erholungs-, Freizeit- und Sportraum steht im Vordergrund. Daneben spielt der Natur- und Artenschutz eine große Rolle, um die biologische Vielfalt in urbanen Räumen zu fördern. Durch die forstliche Pflege wird die dauerhafte Stabilität und Funktion der Wälder gesichert. Um der Tendenz einer zunehmenden Trennung zwischen den unterschiedlichen Nutzungsinteressen entgegenzuwirken, ist das forstliche Handeln im urbanen Umfeld durch umfassende Öffentlichkeitsarbeit zu erklären und kann unter Umständen sogar zum Erlebnis werden. Es gilt, durch Kommunikation um Verständnis für die naturnahe Waldpflege zu werben und so die Akzeptanz für forstwirtschaftliche Maßnahmen in der Bevölkerung zu fördern.

9. Durch forstliche Zertifizierung Nachweis nachhaltiger Forstwirtschaft erbringen
Die Glaubwürdigkeit forstlichen Tuns steht in urbanen Räumen immer wieder in der Diskussion. Gegenüber bürgerschaftlichen Bedenkenträgern oder kritischen Institutionen sowie gegenüber Rat und Verwaltung bieten forstliche Zertifizierungssysteme einen unabhängigen Nachweis nachhaltigen Wirtschaftens im Wald. Die waldbaulichen Grundsätze und Ziele einer naturgemäßen Waldwirtschaft der ANW erfüllen die Standards der Zertifizierungssysteme, wie FSC und PEFC. Diese Standards offensiv als Nachhaltigkeitsnachweis zu nutzen, dient insbesondere in urbanen Räumen der Akzeptanz.


Naturgemäße Waldwirtschaft im Sinne der Waldbauregeln der ANW stellt somit nicht das Problem urbaner Wälder dar, sondern bietet die Lösung dafür!